Die vertraglichen Geflechte auf einer Räumstelle sind meist – wie im Baurecht üblich – komplex. Zivilrechtlich sind hier die gesetzlichen Vorgaben des BGB zu beachten, vertragsrechtlich können nochmals (neben den jeweiligen AGB) die Bestimmungen der VOB/B und VOB/C hinzukommen.

Alle Regelungen im Zivilrecht sind auf die Erreichung des Werkerfolges gerichtet, bieten dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer diverse Gestaltungsrechte, um am Schluss einen (harmonischen) Abschluss des Projektes zu gewährleisten.

Dies mag für die reine Werkleistung auch zutreffend sein, für die Kampfmittelbeseitigung gibt es jedoch darüber hinaus noch mehr anzuwendende Vorschriften und Normen, vornehmlich jene aus dem SprengG und aus den jeweiligen Landessicherheitsgesetzen. Damit ist die Kampfmittelräumung ein Sonderfall auf der Baustelle, denn angesichts der Gefahren, die von Kampfmitteln ausgehen, haben die zivilrechtlichen Regelungen in den Hintergrund zu treten – erschaffen damit aber „neue“ Anwendungsbereiche, namentlich im Schadensersatzrecht!

I. Zivilrechtliche Kompetenz

Fangen wir aber von vorne an: Zunächst ist ein Auftrag an den Kampfmittelräumer notwendig. Dieser wird aufgrund von entweder öffentlich- rechtlichen Vorgaben oder aber aufgrund von vertraglichen Vereinbarungen erteilt. Immer löst die Beauftragung jedoch eine Verlagerung der Verantwortung auf der Räumstelle und damit auf der Baustelle aus: Schon das SprengG löst eine Verbotswirkung für den Umgang mit Sprengstoff aus, so dass dieser Umgang (auch das Aufsuchen ist umfasst!!) nur einem streng reglementierten Kreis von befähigten Personen vorbehalten ist. Man lese hierzu § 1b Abs. 1 Nr. 3 d) SprengG und dazu § 3 Abs. 2 Nr. 1 SprengG!

Damit ist aber schon der Konflikt zwischen den zivilrechtlichen Rechten des Auftraggebers (z.B. Anordnungsrechte gem. § 650b BGB und/oder § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B) und den Verpflichtungen des verantwortlichen Sprengmeisters angelegt: Nur der gem. § 19 SprengG hat die Verantwortung und damit auch das Sagen auf der Baustelle, solange diese (noch) eine Räumstelle ist!

Im Ergebnis ist hier also festzustellen, dass im Zivilrecht die Stellung des Verantwortlichen gemäß § 19 SprengG die Anordnungsrechte des Auftraggebers übersteigt.

Als Ausgleich für die umfangreiche Kompetenz dient das allgemeine Schadensersatzrecht: Wird eine kostenauslösende Maßnahme unbegründet angeordnet, so ist die verantwortliche Person unter Umständen zum Schadensersatz verpflichtet! Daher sollten alle kostenauslösenden Maßnahmen stets gut begründet dokumentiert werden! Die „Baufachlichen Richtlinien Kampfmittelräumung“ (BFR KMR) liefern hierbei stets gute Begründungen für das gewählte Vorgehen!

II. Öffentlich- rechtliche Kompetenz

In Bezug auf öffentlich-rechtliche Verhältnisse ist hierbei nichts anderes festzustellen:  Die verantwortliche Sicherheitsbehörde ist zwar für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständig, also auch zur Abwehr von durch Kampfmitteln hervorgerufenen Gefahren, kann (und muss!) jedoch diese Befugnisse an geeignete Fachpersonen übertragen: im Fall der Kampfmittelräumung ist dies wieder der Verantwortliche gemäß § 19 SprengG! 

Ebenso ist in Bayern durch die „Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über die Abwehr von Gefahren durch Kampfmittel vom 15. April 2010“ (AllMBl. S. 136; http://gesetze-bayern.de/Content/Document/BayVwV238759/true) die Verantwortung für „alte“ Kampfmittel (Definition in Nr. 2.2 der Bekanntmachung: Kampfmittel, die bis zum Ende des 2. WK hergestellt worden sind) beim Kampfmittelräumdienst und bei dem jeweiligen Fachunternehmen angesiedelt worden.

Bei einer Sondierung und Beräumung einer Verdachtsfläche jedoch ist der staatliche Kampfmittelbeseitigungsdienst Bayerns nicht zuständig (vgl. 8.1), Maßnahmen sind nach Ziffer 8.3 von Fachunternehmen, welche vom Grundstückseigentümer zu beauftragen sind zu veranlassen.

Andere Bundesländer regeln die Vorgehensweisen in Bezug auf Kampfmittel in speziellen Kampfmittelverordnungen, was zu einer erhöhten Rechtssicherheit führt. Die Bekanntmachung des bayerischen Innenministeriums hat gerade keinen Gesetzescharakter und wird immer durch das SprengG sowie die Landessicherheitsgesetze (4.1 der Bekanntmachung) auszulegen sein: Die Verantwortung ist also wieder beim Verantwortlichen gem. § 19 SprengG (SprengG = Bundesgesetz)!

Damit ist die Tätigkeit des Kampfmittelräumers auch immer öffentlich-rechtlicher Natur, entsprechende Befugnisse können wahrgenommen werden. Insbesondere betrifft dies die Weisungsbefugnis gegenüber Polizei und Feuerwehr, aber auch gegenüber THW und sonstigen Katastrophenhelfern.

Die Weisungsbefugnis (gerade gegenüber der Polizei) ergibt sich (zum Beispiel in Bayern) aus Art. 10 BayLStVG i.V.m. der oben benannten Bekanntmachung des Innenministeriums. Die Polizei ist hierbei zur Umsetzung der Anweisungen der Sicherheitsbehörden verpflichtet. Werden diese Kompetenzen auf die Kampfmittelräumer übertragen, so haben diese die entsprechenden Befugnisse wahrzunehmen.  Konkret bedeutet dies, dass auf Anforderung der Kampfmittelräumung zum Beispiel eine Bewachung der Räumstelle durch die Polizei durchgeführt werden muss. Selbstverständlich soll hier auch eine Kommunikation stattfinden, also eine Beratung über die durchzuführenden Maßnahmen, das letzte Wort hat jedoch der Kampfmittelräumer!

III. Fazit

Die Befugnisse des Verantwortlichen gem. § 19 SprengG sind sehr umfassend. Dies folgt bereits aus der ihm zugewiesenen umfassenden Verantwortung auf der Räumstelle und den Konsequenzen für Fehlverhalten bzw. fachliche Fehler, welche schlimmstenfalls den Tod von Menschen verursachen können.

Aufgrund der – gerade im zivilrechtlichen (und strafrechtlichen) Bereich – enormen Haftungsrisiken für den Kampfmittelräumer, empfiehlt es sich, die Entscheidungen jeweils mit einer (schriftlichen) Begründung zu versehen und jeden Schritt auch schriftlich zu dokumentieren: „Wer schreibt, der bleibt“ gilt auch hier!

Die Entscheidung sollten gem. den „Baufachlichen Richtlinien Kampfmittelräumung“ (BFR KMR) (früher: AH Kampfmittelräumung; https://www.bfr-kmr.de) und den allgemein anerkannten Regeln der Technik getroffen werden. Die – primär für die Liegenschaften des Bundes aufgestellten – Richtlinien bilden einen einheitlichen Sicherheitsstandard, welcher aufgrund der hohen zu schützenden Rechtsgüter (Leben, körperliche Unversehrtheit, Eigentum) nicht unterschritten werden darf, auch wenn einzelne Landesregelungen oder Auftraggeber geringere Anforderungen genügen lassen würden. Auch eine Orientierung an den ATV DIN 18323 der VOB/C ist hilfreich!

Kompetenzen auf der Räumstelle – wer darf was?

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