Die Regierung von Oberbayern – Gewerbeaufsichtsamt – teilte im Zusammenhang mit der Corona-Epidemie den Kampfmittelräumunternehmen mit, dass nach Auffassung des Staatsministeriums des Inneren, Sachgebiet Kampfmittelbeseitigung, im Zusammenhang mit einer Kampfmittelbeseitigung bis auf weiteres alles zu unterlassen ist, was Evakuierungsmaßnahmen erfordern würde. Dies würde besonders auf die Öffnung von Verdachtspunkten zu treffen, bei welchen Bombenblindgänger nicht ausgeschlossen werden können. Insbesondere im Umkreis von 1000 m um Einrichtungen wie Krankenhäuser, Pflege- und Seniorenheime seien bis auf weiteres Aktivitäten der Kampfmittelbeseitigung zu vermeiden, welche mit Bodeneingriffen verbunden sind.
Dies bedeutet, dass eine Evakuierung der Bevölkerung, welche in der Regel notwendigerweise mit einem Bombenfund einhergeht, zu vermeiden ist.
Hiervon ist jegliche Maßnahme betroffen, welche eine physikalische Veränderung des Bodens nach sich zieht. Da jeder Bodeneingriff mit einer Veränderung des Milieus der Bombe bzw. des Blindgängers verbunden ist, wäre in der Regel eine sofortige Entschärfung durchzuführen. Ein längeres abwarten ist aus Gesichtspunkten der Sicherheit nicht möglich.
In der Praxis bedeutet dies, dass eine Räumstelle, auf welcher mit Blindgängern zu rechnen ist, deren Beräumung eine Evakuierung nötig machen, gemäß der Allgemeinverfügung des Freistaates Bayern umgehend zu schließen ist. Ein Weiterarbeiten wird somit unmöglich gemacht.
Hieraus ergeben sich jedoch weitere Rechtsfragen, welche aufgrund der Neuartigkeit der Situation lediglich rudimentärbeantwortet werden können:
I. Bauzeitliche Auswirkung
Das Kampfmittelräumunternehmen, welches durch die Verantwortliche Person die Einstellung der Räumstelle anordnet hat, muss keine nachteiligen Auswirkungen aufgrund des Verzugs befürchten, da es sich hier um einen Fall der höheren Gewalt im Sinne des § 6 Abs. 2 Nummer 1c VOB/B handelt. Aus dieser Vorschrift heraus hat der Auftragnehmer (Kampfmittelräumer) einen Anspruch auf Verlängerung der Ausführungsfristen, sollten diese vereinbart worden sein.
Dies trifft jedoch nur zu, wenn aufgrund der anfänglichen Gefährdungsbeurteilung und/oder historisch genetischen Rekonstruktion das antreffen von Blindgängern, welche ohne entsprechende Evakuierungsmaßnahmen nicht entschärft werden können. Somit wären also Räumstellen weiter zu betreiben, bei denen lediglich transportfähige Kleinmunition anzutreffen wäre. Die entscheidende Frage sollte also immer sein: ist die Räumstelle so gelegen, dass eine Evakuierung von Personen 1. ausgeschlossen oder 2. aufgrund der erwarteten Munition unnötig ist.
Beurteilungskriterium hierfür ist die aktuellste Gefährdungsbeurteilung bzw. historisch genetische Rekonstruktion. Widersprechen sich beide Erkenntnisquellen, so hat die jeweils aktuellste Erkenntnis den Vorrang, soweit sich hierdurch eine Verschärfung der Lage darstellt. Besagt also die historisch genetische Rekonstruktion, dass lediglich mit Artillerie zu rechnen ist, werden jedoch im Rahmen der Kampfmittelräumung auch Bomben gefunden, so ist das antreffen von Bomben auch weiterhin anzunehmen. Sollte im Rahmen der Ausführung der Räumarbeiten bei prognostizierten Bombenfunden diese noch nicht gefunden worden sein, so ist nicht mit deren genereller Abwesenheit zu rechnen, die Sicherheitsanforderungen gelten auch in Zeiten der Corona-Epidemie.
II. Ersatz für Stillstand
Finanzielle Auswirkungen der höheren Gewalt oder anderer unabwendbare Umstände trägt grundsätzlich jede Partei selbst. Ein eventueller Schadensersatz hätte immer ein Verschulden der anderen Partei als Voraussetzung, dieses ist jedoch im Zusammenhang mit der Corona-Epidemie nicht festzustellen.
Tatsächlichen Mehraufwendungen, die jedoch im Zusammenhang mit der Bauzeitverlängerung bzw. Bauzeitverzögerung entstehen, sind im Rahmen eines VOB- Vertrags über § 2 Abs. 5 VOB/B auszugleichen, müssen jedoch dezidiert nachgewiesen werden.
Auch der Verweis in § 6 Abs. 6 VOB/B auf § 642 BGB ändert hier nichts, da die Verzögerung gerade nicht auf einer vom Auftraggeber zu vertretenen und unterlassenen Mitwirkungshandlung beruht.
Jedoch könnten während des Stillstandes Kosten für die Sicherung der Räumstelle anfallen, (z.B. Kosten für Bewachung), welche als normale Nachtragsleistungen abgerechnet werden können. Auch wenn die Räumstelle ruht, so ist immer noch die Verantwortliche Person gemäß § 19 Sprengstoffgesetz für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften verantwortlich! Die notwendigen Maßnahmen, welche auf einer Räumstelle zur Absicherung zu treffen sind, beispielsweise wenn diese nach Feierabend verlassen wird, haben selbstverständlich auch weiterhin getroffen zu werden.
III. Fazit
Die Hinweise der Regierung von Oberbayern sind zu befolgen und entsprechend umzusetzen. Auch wenn diese unverbindlich formuliert sind, so haben sie dennoch mehr Weisungs- als Empfehlungscharakter. In der derzeitigen Situation (Stand 26. März 2020) ist die Bekämpfung des Corona-Virus die vornehmliche Aufgabe der Staatsregierung und durch die Allgemeinverfügung entsprechend in rechtliche Form gebracht. Die Unvereinbarkeit von großflächigen Evakuierungen mit den Vorgaben und Zielen der Allgemeinverfügung rechtfertigt eine entsprechende Maßnahme auf der Räumstelle auf jeden Fall. Wie immer gilt jedoch auch hier, dass der Einzelfall entscheidend ist und die Maßnahmen nicht pauschal von der Verantwortlichen Person angeordnet werden sollten. Insbesondere mit der noch nie da gewesenen juristischen Situation ist eine exakte Dokumentation der Gründe, aus denen die Räumstelle stillgelegt worden ist, von überragender Bedeutung. Diese Gründe sollen so detailliert wie möglich beschrieben werden, insbesondere ist in die Abwägung mit einzubeziehen, wie viele Menschen von einer Evakuierung betroffen wären. Durch die klare Vorgabe (1000 m) ist bei Krankenhäusern, Senioren- und Pflegeheimen eine Abwägung der Einstellung der Arbeiten natürlich leichter, soll jedoch auch hier wohlüberlegt und begründet sein.
Diese Stellungnahme stellt eine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage dar. Ansprüche auf Vollständigkeit Rechtssicherheit können hieran nicht geknüpft werden. Die Stellungnahme dient zur Orientierung der momentan hochvolatilen Situation.